Mit Kleinkind um die Welt: Reisefamilie Backpackbaby im Interview
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Müsste man die Reisefamilie von Backpackbaby in drei Worten beschreiben, so wäre das vermutlich: Frei, mutig, inspirierend und grenzenlos. Okay, das waren vier Worte. Uns würden noch unzählige andere einfallen, aber lest selbst.
Hatten sie doch den Mut mit ihrer damals einjährigen Tochter Lola auf Weltreise zu gehen und den Ruf ihrer Herzen zu folgen. Wieso sie nun in Thailand leben, was für sie die ausschlaggebenden Punkte zum Auswandern waren und die größten Unterschiede zwischen Berlin und Thailand, haben sie uns im Interview verraten.
Achtung, Fernweh garantiert.
1. Stellt euch doch gerne vor. Wer seid ihr? Was macht euch so außergewöhnlich?
Hallo, wir sind Olaf, Josi und Lola von Backpackbaby.
Was uns so außergewöhnlich macht?
Wir reisen seit drei Jahren mit unserer inzwischen vierjährigen Tochter um die Welt. Wir haben dem Trubel und den Schwierigkeiten für junge Familien in Deutschland den Rücken gekehrt und uns in ein riesiges Abenteuer gestürzt, das inzwischen unser Alltag ist. Wir leben zu dritt gleichberechtigt und ohne Erziehung in den Bergen von Nordthailand, arbeiten ortsunabhängig und bloggen über unsere Suche nach dem Glück und unser Streben nach Freiheit in allen Lebensbereichen. Ich glaube, wir sind insgesamt eine sehr ungewöhnliche Familie. Wir versuchen uns nicht von den "So macht man das halt"-Regeln ausbremsen zu lassen, sondern wir stellen unsere eigenen auf. Wir haben uns ein Leben eingerichtet, in dem das gut geht und in dem wir uns regelmäßig selbst hinterfragen und neu finden dürfen. Unseren Alltag teilen wir auf unserem Instagramaccount backpack_baby, der inzwischen ein großer Teil unseres Alltags geworden ist.
2. Wie kamt ihr auf die Idee, eine Weltreise zu unternehmen und warum seid ihr nun in Thailand?
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Das ist eine lange Geschichte, die mit der Geburt unserer Tochter Lola beginnt. Rückblickend betrachtet ist uns klar, dass war von Anfang an ein sehr ungewöhnliches Kind hatten. Unsere Tochter hat ab dem ersten Tag unheimlich wenig geschlafen und viel Aufmerksamkeit eingefordert. Sie konnte im Grunde nie abgelegt werden, wollte Dauerstillen und hat uns Eltern sehr viel Kraft gekostet.
Erst als wir auf den Begriff "High Needs Kind" gestoßen sind, wurde uns klar, dass wir mit unserem Struggle nicht allein sind.
Nach wenigen Monaten waren wir beide völlig ausgelaugt und es wurde vor allem eins klar: Wir können nicht zu dritt in Deutschland leben und dabei ein gutes Leben führen. Der Druck, genug Geld zu verdienen und das Kind in den stressigen Alltag einzupassen und dabei ja immer leistungsfähig zu bleiben stand für uns im Gegensatz zu unserem Wunsch nach einem gesunden Leben und einer glücklichen Kindheit unserer Tochter.
Also haben wir entschieden, unsere Siebensachen zu packen und uns auf die Suche zu machen nach neuen Lebenskonzepten.
Wir wollten uns ein Jahr Zeit als Familie nehmen und in der Ferne zu uns selbst finden. Wir wollten unserer Tochter die Welt zeigen und die vielen Möglichkeiten, die sie bereithält. Und wir wollten vor allem ein bisschen Freiheit schnuppern. Diese Reise haben wir vor über drei Jahren angetreten und uns unterwegs so sehr selbst gefunden, dass wir noch immer unterwegs sind.
In Thailand haben wir uns besonders wohl gefühlt, viele besondere Freundschaften geknüpft und wir fühlten uns von Anfang an sehr angekommen. Irgendwann wurde klar, dass vor allem unsere Tochter ein beständiges Zuhause braucht. So kehrten wir immer wieder nach Pai, einem unserer weltweiten Lieblingsorte, zurück. Inzwischen haben wir unseren Lebensmittelpunkt ganz hier her verlagert, ein kleines Haus im Grünen gemietet und warten auf einen Kitaplatz für Lola.
3. Welche Hürden galt und gilt es zu überwinden?
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Wenn man Freunden und Familie erzählt, dass man ohne viel Geld und ohne großen Plan mit einem Säugling mal eben um die Welt reisen will, bekommt man von besorgten Kommentaren bis zu ängstlichen und wütenden Anfeindungen alles zu hören. Uns war klar, dass diese Auszeit für uns im Moment das Richtige war. Dass wir Abstand brauchten vom übermüdeten Bad putzen und Socken sortieren. Aber diese Gedankengänge anderen verständlich zu machen, war nicht immer leicht. Obwohl uns klar war, dass auch aus den härtesten Reaktionen in Wahrheit Sorge um uns sprach, war das oft schwer auszuhalten. Ganz besonders, als klar wurde, dass wir nicht in unser altes Leben zurückkehren, sondern diesen unkonventionellen Weg weiter verfolgen würden, wurde uns (neben Interesse, Unterstützung und Freundlichkeit) viel Kritik entgegengebracht. Wer die Norm hinterfragt, hinterfragt irgendwie auch alle, die darin leben und zufrieden sind - dabei war das nie unser Ziel. Uns geht es darum, für uns drei ein gutes Leben zu schaffen. Dieses Leben ist für uns genau richtig, aber für viele andere wäre ein Zuhause in der Ferne, wenig Besitz und ein unerzogenes Kind undenkbar - und das ist auch völlig ok so.
4. Die Frage die sich vermutlich alle stellen: Wie macht ihr das? Arbeitet ihr Online oder vor Ort?
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Ja, das ist tatsächlich eine der Lieblingsfragen. Ursprünglich sind wir mit einem kleinen Finanzpolster aufgebrochen, dass wir aus Verkäufen von den Schätzen aus unserem alten Leben in Deutschland aufgebaut haben. Als sich dann herauskristallisierte, dass wir nicht wieder zurück nach Deutschland wollen, haben wir nach viel Recherche und zahlreichen Umwegen unsere Variante vom digitalen Nomadentum gefunden: Olaf arbeitet als freier Journalist für verschiedene Magazine und ich betreue und erstelle Social Media Accounts für kleinere Firmen. Inzwischen habe ich mich auf Pinterest spezialisiert. Weil das ein ziemlich neues Feld für die professionelle Nutzung ist, bin ich ziemlich gut aufgestellt und finde leicht neue Kunden.
Insgesamt funktioniert dieses System aber nur so gut für uns, weil wir mit sehr wenig Geld auskommen. Wir wollen lieber die Kleinkindzeit mit unserer Tochter genießen, als jeden Tag stundenlang zu arbeiten und letztendlich in ein neues Hamsterrad zu rutschen. Die Palmen und das gute Wetter machen nicht den Reiz von unserem Leben aus, sondern die viele Zeit, die wir uns für uns als Familie nehmen.
Bis vor Kurzem wurde unsere Vierjährige komplett zu Hause betreut, inzwischen haben wir da ein wenig Unterstützung. In der Zeit, in der Lola bei ihrer Babysitterin ist, arbeiten wir. Sie schläft nicht mehr als wir, also haben wir nicht die kinderfreien Abende, die so viele andere Eltern haben und viele digitale Nomadenmamas und -Papas zum Arbeiten nutzen. Ansonsten leben wir unseren schlichten und wunderschönen Alltag in Thailand und freuen uns jeden Tag über diesen schönen Ort und darüber, dass wir uns ein Leben zurechtgebastelt haben, dass so gut zu uns passt.
5. Was ist der größte Unterschied zu Deutschland?
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Da wir gerade für sechs Wochen in Deutschland waren, kann ich das gut beantworten.
Ganz ehrlich? Wir waren ein bisschen erschrocken, als wir das erste Mal nach anderthalb Jahren wieder zurück nach Deutschland kamen. Hier in Pai erscheint uns das Leben simpel, entspannt und fröhlich. Wir sind in unserem Alltag sehr selbstbestimmt. Es gibt keinen Zeitdruck und viel, viel Natur und Ruhe. In Berlin dagegen mussten wir gemeinsam mit den anderen Großstädtern von einem Termin zum nächsten hetzen. Es blieb wenig Zeit, die kleinen Momente des Alltags zu genießen, die das Leben erst richtig lebenswert machen. Uns ist viel Unmut und schlechte Laune begegnet und vieles, was wir machen, wurde von Fremden kritisiert oder bewertet. Unsere Tochter trägt beispielsweise keine Schuhe, weil sie sich so wohler fühlt. Da es für sie gut funktioniert und es ohnehin gesund ist, spricht für uns Eltern nichts dagegen. Es ist uns in Berlin tatsächlich passiert, dass völlig Fremde sich richtig darüber aufgeregt haben, dass Lola mit ihren nackten Schmutzfüßen den Boden in der U-Bahn dreckig machen würde.
Ansonsten leben wir hier in Thailand einfach sehr privilegiert. Wir sind weniger Teil einer Gesellschaft, in die wir hineingeboren wurden, sondern zählen uns inzwischen zu einer großen Gemeinschaft an Reisenden und digitalen Nomaden, die wir selbst gewählt haben. Auf die Art können wir frei die Dinge und Menschen in unser Leben lassen, die uns gut tun und die zu uns passen. Alle anderen dürfen woanders glücklich sein. Es tut gut, nicht ständig über unsere Werte oder unsere Leistungsfähigkeit zu diskutieren. Es war für uns beide sehr heilsam, dass wir nicht mehr nach unserem Kontostand, sondern eher nach unserer guten Laune beurteilt werden. Hier ist es egal, dass unser alter Roller nicht mehr jeden Berg hochkommt, oder dass der Akku an Olafs Telefon schwächelt. Es gibt für uns einfach Wichtigeres im Leben. Zum Beispiel unsere Zeit als Familie und unsere Tochter. Wir wünschen uns, dass sie lernt, dass es viele Möglichkeiten gibt, glücklich zu sein. Und dass viel Geld nicht unbedingt dazu gehören muss. Diese Erkenntnis wird sie in der Zukunft freier machen. Sie wird ihr eigenes Leben danach gestalten können, was ihr gut tut und nicht, welche Erwartungen sie meint erfüllen zu müssen.
6. Nutzt ihr vor Ort Möglichkeiten der Kinderbetreuung? Was macht ihr, damit keine Langeweile auftritt? Nutzt ihr Freizeit-Angebote oder Kurse?
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Auf den ersten Blick ist in Pai nicht viel los. Es ist eben ein kleines Örtchen in den Bergen. Es gibt hier keine Kinos, Theater oder Museen. Dafür gibt es Reisfelder, Wasserfälle, heiße Quellen und Elefanten. Wir verbringen viel Zeit in der Natur. Zusätzlich gibt es eine Handvoll Kurse, Musikunterricht und Aktivitäten für Kinder. Das meiste hier ist privat organisiert. Trotzdem gibt es von Aerial Yoga zu Kinderkunstkursen alles, was das Herz begehrt. Diese Aktivitäten werden wir nun langsam mehr und mehr in unseren Alltag integrieren. Bisher hatten wir allerdings das Gefühl, dass unser kleiner Wirbelwind mit Badeausflügen zu den Wasserfällen und Spaziergängen in den Reisfeldern mehr als zufrieden war.
Wenn ihr mehr über unser ungewöhnliches Leben wissen wollt, folgt uns auf Instagram backpack_baby oder lest in unserem Blog. Auf beiden Kanälen berichten wir regelmäßig von unserer Suche nach dem Glück, unserem freien Leben und auch den Schwierigkeiten, die ein Alltag ohne Regeln und finanzielle Sicherheiten mit sich bringt. Wir freuen uns auf euch!
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