Heute bin ich Chef*in - Wenn die Kinder einen Tag das Sagen haben
Stellen wir uns mal vor die Kinder hätten einen Tag lang das Sagen, dürften vom Aufstehen bis zum ins Bett gehen alles selbst bestimmen und alle Entscheidungen treffen. Was bei den meisten Eltern nervöse Zuckungen auslöst, hat unsere Gastautorin Sandy Leclaire für uns getestet. Sie hat das Ruder an ihre zwei Kinder abgegeben und berichtet für uns von ihrem turbulenten Tag.
Unerzogen - kein Leben ohne Regeln
Die meisten Menschen reagieren etwas geschockt, wenn wir sagen, dass wir unsere Kinder nur begleiten, nicht erziehen. Attachment Parenting* - für die einen ein Unding, für die anderen das Ding, dazwischen gibt es nicht viel. Ein gängiges Vorurteil ist dabei, dass wir ja komplett ohne Regeln leben. Achtung Spoiler: Dem ist nicht so. So gar nicht. Weswegen das Experiment „Heute haben wir das sagen“ auch in mir ein bisschen Herzklopfen ausgelöst hat. Aber wir wären ja nicht wir, wenn wir nicht jeden Quatsch mit unseren Kindern mitmachen, also los!
*Beim Attachment Parenting – zu Deutsch etwa bindungsorientierte Elternschaft – gehen Eltern intensiv auf die Bedürfnisse ihrer Babys und Kleinkinder ein und wollen so deren Persönlichkeit stärken.
Samstag, 06:00 Uhr, der verdrehte Tag beginnt
Und wie er beginnt. Mit einem Anflug von Hysterie und Wahnsinn schmeißt die Zweijährige ihre Kleidung von sich und lässt sich von Alexa mit den schlimmsten Kinderliedern aus allen Jahrzehnten beschallen. Das wäre der erste Moment des Tages, an dem einer von uns Erziehungsbeauftragten einschreiten würde. Sollte. Doch nicht heute, denn heute befinden wir uns schon mitten im wohl anstrengendsten, lustigsten, wahnsinnigsten und wertvollsten Tag unseres gemeinsamen Lebens. Unsere Kinder sind heute die Chefinnen. Und unsere Chefinnen sind zwei Jahre und drei Jahre alt. Gnade uns Gott!
Nun gut. Wir nehmen unser Schicksal an. Während mein Mann versucht, sich vor den hüpfenden und springenden Kindern in Sicherheit zu bringen und sich die Decke tief über den Kopf zieht, flüchte ich mit unserem Baby schon mal Richtung Badezimmer. „Geschickt eingefädelt“ denke ich, doch in der Sekunde wird auch schon meine Flucht entdeckt und die zwei Pampers-Rocker erobern das neue Territorium mit Pauken und Trompeten.
Wasser Marsch!
Falls wir jemals dachten, dass es eine gute Idee ist jeden Raum unseres Hauses mit Echo Dots auszustatten UND den Kindern beizubringen, diese auch zu benutzen, wurden wir spätestens jetzt auf den harten Boden der Realitäten zurückgeschleudert. Zwei wild planschende Damen feiern in der Badewanne mit sehr viel, sehr bunten Schaum die Party ihres Lebens, schrubben mit viel Freude die Zähne und rennen zum krönenden Abschluss, so wie Gott sie schuf, aus dem Zimmer. Nur Kinder wissen, wie man wirklich foltert. Mein Mann verflucht mich und meine dummen Ideen, die Uhr sagt, es ist kurz vor acht. Mal ehrlich, der Tag kann nur noch besser werden.
Blaue Pfannkuchen und hawaiianische Klänge
Und wenn etwas einen Tag retten kann - und da sind wir uns ausnahmsweise alle einig, dann sind das Pfannkuchen. Dass diese blau sein müssen ist neu, aber hey, wenn es weiter nichts ist. Die Zweijährige besteht auf Mayonnaise zu ihren blauen Pfannkuchen, die Dreijährige sitzt auf dem Tisch. Mein Mann möchte lieber arbeiten gehen als Wochenende haben. Ich genieße das Schauspiel.
Hawaiianische Klänge hallen durch unser Wohnzimmer, die Grazien haben sich einen Film gewünscht. Zugegeben, mein Pädagogikherz krampft, als ich zur Fernbedienung greife und ihnen ihren Lieblingsfilm noch vor 9 Uhr morgens anmache. In Decken eingekuschelt sitzen die zwei Nacktfrösche auf der Couch, essen Kekse und sind ganz begeistert von diesem Tag.
Eine unerwartete Wendung
Die Erziehungsberechtigten sitzen schwer atmend am Küchentisch und beratschlagen über den weiteren Verlauf dieses Tages, als die unerwartete Wendung eintritt. Zwei niedliche kleine Mädchen in verrückten Outfits stehen mehr oder weniger fertig angezogen vor uns, obwohl gerade ein Film läuft und fragen, ob sie draußen spielen dürfen. Erneut hüpft das Pädagogikherz. Wir hüpfen durch Pfützen, baden im Schlamm, rollen uns durch Laub und toben durch Wald und Wiesen. Eine Tatsache, die es uns leichter macht, die gewünschten Snacks, nämlich Gummibärchen und Schokolinsen rauszurücken.
Was wir alle vier wohl nicht haben kommen sehen, ist die Tatsache, dass so viele Entscheidungen ganz schön anstrengend für unsere Mädchen sein könnten. Als ich nach den Wünschen fürs Abendessen frage, bekomme ich von der einen nur ein müdes „Was Leckeres Mama“ und entscheide mich spontan für ein Lieblingsgericht. Während des Essens ist es ungewöhnlich ruhig. Mein Mann ahnt Schlimmes und vermutet, dass sie noch mal richtig aufdrehen, doch es bleibt ruhig.
Zu tollen Ausflugszielen für Klein & Groß
Das gab noch nie
Zugegeben, ich hatte mich auf einen langen Abend eingestellt, doch was dann passierte, hätte ich im Leben nicht vermutet. Meine zuckersüßen kleinen Terrorschwestern packten ihre sieben Kuscheltiere, nahmen sich Schnuller und Getränke und verlangten danach ins Bett gebracht zu werden. Der Papa traute seinen Augen kaum und auch ich hielt das Ganze für einen schlechten Scherz. Doch es war wahr. Ohne murren und knurren verabschiedeten sie sich und noch vor 21 Uhr lagen wir alle zusammengekuschelt im Familienbett.
„Morgen bist du wieder die Mama, Mama“ war das letzte, das die erschöpfte Dreijährige von sich gab, bevor sie in meinem Arm einschlief.
Es war schaurig schön
Unser Fazit? Es war ein schaurig schöner Tag, eine tolle Erfahrung und muss wirklich nicht wiederholt werden, solange sie noch so klein sind. Wir fanden es spannend zu sehen, wohin die Bedürfnisse unserer Kinder gehen und hätten eher erwartet, dass sie einen Süßigkeitentag vor dem Fernseher einlegen würden. Wir haben uns fest vorgenommen, den Tag zu wiederholen, wenn die Mädchen etwas älter sind.
Von Eltern für Eltern - Dieser Artikel wurde von unserer Gastautorin Sandy Leclaire geschrieben. Mehr von Ihr und Ihrer Familie findet ihr auf Ihrem Blog „Mama ohne Plan“. (Blog | Instagram)
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