Vereinbarkeit von Beruf & Familie
Sandra Lachmann im Interview
Beruflich erfolgreich sein als Mutter, Vereinbarkeit von Beruf & Familie - oft ein Balanceakt. Diesem Thema widmet sich die Bremerin Sandra Lachmann und spricht darüber als Co-Host im Podcast "Work is not a Kinderspiel" für berufstätige Eltern, die beides lieben: ihr Familienleben und ihr berufliches Tun. Zusammen mit Katarina Uphoff sinniert sie über die Herausforderungen moderner Elternschaft und zeichnet ein realistisches Bild von berufstätigen Müttern. In ihrem Podcast legen sie den Finger in die Vereinbarkeitswunde, erzählen aber auch, mit welchen Methoden, inneren Haltungen und ganz praktischen Alltagstools sie ihre familienfreundliche Form von Arbeit kreieren. Was ihnen am Herzen liegt: die Herausforderungen von berufstätigen Eltern deutlich machen, damit sich langfristig etwas in der Berufswelt ändert und Eltern von Selbstzweifeln befreit werden können. Wir hatten natürlich viele Fragen zu diesem spannenden Thema und freuen uns, dass Sandra uns heute Rede und Antwort steht.
1. Hallo Sandra, stelle dich doch mal mit wenigen Sätzen vor. Wer bist du, was bewegt dich?
Ich bin humorvolle Bremerin, wortverliebte Bloggerin, Spielzeugteppich hassende Mutter eines bald vierjährigen Sohnes und selbständige Kommunikationsberaterin. Was mich bewegt? Menschen zu bewegen. Hin zu unbekannten Orten, unerprobten Aktivitäten und vor allem hin zu neuen Gedanken und Perspektiven. Ich selbst stehe auch nie still, weder im Kopf noch was meine Projekte angeht. Irgendwie kann ich die Finger nur schwer von neuen Ideen lassen – so entstehen dann Projekte wie der Podcast WORK IS NOT A KINDERSPIEL.
2. Du hast dir das Thema "Vereinbarkeit" auf die Fahne geschrieben. Wie kam es dazu?
Ziemlich simple: durch das eigene Erleben, wie erschöpfend, emotional aufwühlend und zermürbend es sein kann, Job und Familienleben gut unter einen Hut bekommen zu wollen. Außerdem habe ich festgestellt, dass Mütter sich selten trauen, über diese Belastung offen zu sprechen, weil sie an sich zweifeln statt an den Rahmenbedingungen. Ich finde das einfach katastrophal. Ich möchte, dass Mütter von der Überforderung ins Fordern kommen. Dass das Sprechen über die Anstrengungen von Elternschaft überall möglich ist und auf tolerante Ohren stößt.
3. Hast du konkrete Situationen, in denen Vereinbarkeit scheitert?
Im Alltag scheitert sie immer, wenn der von den Eltern ausgeklügelte straffe Plan aus Arbeitszeiten, Betreuungszeiten, Fahrtzeiten, Urlaubszeiten etc. durch Unvorhergesehenes durchkreuzt wird. Weil das Kind krank ist, weil die Kita wegen Fortbildung geschlossen ist, weil man länger in einem Meeting feststeckt als gedacht oder weil man keinen Kita-Platz findet. Wenn man dann kein Backup in Form von Großeltern, Babysittern oder vielleicht Nachbarfamilien hat, ist man aufgeschmissen.
Und dann starten häufig Konflikte unter den Eltern. Wer kann es sich gerade besser leisten, im Job auszufallen? Welche Stelle ist mehr wert? Das führt schnell zu angespannten Situationen und Frust. Und Alleinerziehende sind vollkommen aufgeschmissen.
4. Was wären mögliche Lösungsansätze?
Für mich gibt es – wie in fast allen Bereichen unseres Lebens heutzutage übrigens – einen wesentlichen Lösungsansatz: Entschleunigung. Wenn Eltern gesund und Familien intakt bleiben sollen, muss die Geschwindigkeit in unserem Leben deutlich abnehmen. Ein zweiter wichtiger Punkt ist natürlich, dass Care Arbeit und Mental-Load fairer unter Eltern aufgeteilt wird. Die Opfer der Vereinbarkeit sind fast immer in Teilzeit arbeitende Frauen. Davon müssen wir weg.
5. Welche Verantwortung siehst du in der Politik? Welche bei Arbeitnehmern?
Letztens habe ich auf einem Panel gehört, dass wir eine mehrfache Mutter eigentlich nicht als Familienministerin, sondern als Finanzministerin bräuchten. Ich glaube, da steckt viel Wahres drin. Gender Pay Gap, keine Vergütung für Care Arbeit, schlechte Bezahlung in sozialen Berufen... es gibt eine Menge finanzielle Nöte, die die Misere für Frauen bzw. für Eltern noch größer machen.
In der Arbeitswelt gibt es auch enorm viele Stellschrauben...
Führungspositionen in Teilzeit oder als Job-Tandem, Eltern-Kind-Büros, Sonderurlaubstage für Kita-Eingewöhnung, wichtige Besprechungen nur am Vormittag. Übernahme der Kita-Gebühren, Angebote für Coachings, die 30-Stunden-Woche als Norm – um nur ein paar Sachen zu nennen. Mein sehnlichster Wunsch: Weg vom präsenzorientierten, hin zum ergebnisorientierten Arbeiten. Weg von der 40-Stunden-Woche, hin zur 30-Stunden-Woche. Das täte übrigens allen gut, nicht nur Eltern. Die Menschen hätten mehr Zeit für Ehrenämter, Hobbys, Bildung – das hielte gesund, machte zufrieden und wäre auch für unserer Gesellschaft und ihre aktuell sehr großen Aufgaben hilfreich.
Am wichtigsten ist eine familienfreundliche Unternehmenskultur
...in der Empathie besteht, für das was Eltern leisten. Ich habe mal einen Blogbeitrag geschrieben, in dem ich zwei Jahresendgespräche gegenüberstelle. Wenn man das liest, weiß glaube ich jeder sofort, was ich meine. Elternschaft erfährt zu wenig Wertschätzung. Das weiß ich leider auch erst, seitdem ich selbst Mutter bin. Ich schäme mich echt dafür, dass ich früher keine Ahnung davon hatte, was meine in Teilzeit arbeitenden Kolleginnen mit Kindern so wuppen. Jede Organisation sollte sich dafür einsetzen, das sichtbar zu machen.
6. Welchen Ratschlag möchtest du einer frischgebackenen Mama zum Wiedereinstieg geben?
Der Wiedereinstieg in den Job ist ein berufliches „Wochenbett“. Anders als beim echten Wochenbett nach der Geburt bereitet einen allerdings selten jemand darauf vor. Frauen geraten häufig in ein emotionales Durcheinander, weil sie sich fragen, ob es okay ist, nicht mehr nur beim Kind zu sein. Die gerade erst gewonnenen Alltagsroutinen werden zudem wieder über den Haufen geworfen und die Erkenntnis, dass man nicht mehr so kraftvoll arbeiten kann wie bislang, kann zusätzlich sehr erschütternd sein. Kurz gesagt: Eine große Erschöpfung ist in den ersten Wochen durchaus normal und auf die sollte man vorbereitet sein.
Mein Rat an Frauen, denen der Wiedereinstieg noch bevorsteht: Macht Euch bewusst, dass dieser Neustart ähnlich herausfordernd ist wie die Zeit des Wochenbettes. Nehmt Euch am Anfang nicht zu viel vor, sondern versucht (sofern ihr das könnt), das Arbeitspensum erst langsam zu steigern. Ihr werdet nämlich mit dem Drumherum am Anfang genug auszufechten haben.
7. Welche Frage würdest du gerne einmal gestellt bekommen und was wäre deine Antwort?
„Möchtest du in dieses Altbremer Haus mit Garten in Bremen-Peterswerder ziehen? Kostet monatlich nicht viel mehr als Euer Hausabtrag gerade...“ Die Antwort wäre sofort: "Ja, ich will!"
Dieser Artikel könnte dich auch interessieren:
Melde dich für den Kindaling Newsletter an und erhalte wöchentlich tolle Veranstaltungstipps und spannende Beiträge rund ums Thema Familie!