Überrumpelt im Wochenbett
Kennt ihr das Kinderbuch “Die Schildkröte hat Geburtstag”? Meiner Meinung nach sollte es jede/r gelesen haben. Ja, ich finde sogar, es sollte Standardlektüre in den Kinderzimmern sein. Wobei diese grandiose Geschichte von Elizabeth Shaw nicht nur für Heranwachsende wertvoll ist, sondern auch für Erwachsene.
Der Plot ist schnell erzählt und die Botschaft dahinter eigentlich profan - könnte man meinen:
Eine Schildkröte hat Geburtstag. Bereits am Morgen ist sie entsprechend aufgeregt, was der Tag und die tierischen Freund*innen an Geschenken bringen werden. Ihr größter Wunsch: ein saftiger Salatkopf. Die Sonne lacht und der Löwe schaut vorbei, zum Fest bringt er ein großes Stück Fleisch, der Elefant trägt einen Eimer Wasser als Geschenk mit sich und der Pelikan schenkt einen Fisch. Als der Tag sich dem Ende neigt, ist die Schildkröte zwar dankbar, dass ihre Freund*innen an sie gedacht haben, aber auch genickt, da sie mit den Geschenken, die sie ihr machten, nichts anfangen kann. Sie hatte doch nur diesen einen Wunsch… Doch dann kommt die kleine Maus. Mit großer Mühe rollt sie einen üppigen Salatkopf heran. Als Einzige hat die Maus nicht geschenkt, worüber sie sich selbst am meisten freuen würde, sondern sich in ihre Freundin, die Schildkröte, hineinversetzt. Und so ist das Geburtstagskind schließlich doch noch glücklich!
Bei der Geburt meines ersten Kindes entschlossen sich mein Partner und ich zu einer ambulanten Entbindung. Und tatsächlich fühlte ich mich nach der Geburt recht fit und so ging es mit unserem Baby vom Kreißsaal direkt nach Hause. Auf dem Weg überkam mich ein großes Verlangen nach frischem Kuchen, so hielten wir bei einer Bäckerei an und sammelten mein Lieblingsgebäck ein. Ich war erleichtert darüber, die Geburt so gut überstanden zu haben, bestaunte mein gesundes Baby, das neben mir in der Autoschale lag und freute mich auf mein wohlverdientes Wochenbett mit gutem Pflaumenstreusel. Zu Hause angekommen, überkam mich jedoch, statt des erwarteten Bedürfnisses nach Ruhe und Rückzug, recht schnell der Drang, der Familie unser Baby vorzustellen. Ein echter Anfängerfehler, wie sich noch herausstellen sollte…
Und so schauten schon kurze Zeit später meine Eltern vorbei. Sie brachten uns einen herrlich bunten Sommerstrauß und schenkten mir einen zarten, goldenen Ring mit drei kleinen Diamanten, die uns als Familie symbolisieren sollten. Es war ein äußerst rührender und besonderer Moment der ersten Begegnung mit ihrem nur wenige Stunden alten Enkelkind. Kurz darauf überließen sie uns wieder unserer Dreisamkeit.
Als meine Schwägerin Anne noch am selben Nachmittag von der Geburt unseres Kindes erfuhr, stand sie nur wenige Augenblicke später ungefragt an meinem Bett, im Schlepptau ihre drei Söhne - 11, 14 und 17 Jahre alt. So ähnlich musste sich wohl die Panda-Mutter mit ihrem Jungen im Berliner Zoo gefühlt haben, als die Besuchermassen nur so ans Gehege strömten. Meine Schwägerin, die als Palliativmedizinerin arbeitet, nahm unser Kind unvermittelt hoch, um es zu begutachten und verglich es mit einem jüngst verstorbenen Patienten, dessen Gesicht sie in unserem Baby wiederzuerkennen meinte. Ihre drei Söhne begannen sich offensichtlich zu langweilen und zogen sich aus dem Schlafzimmer zurück in unsere Küche.
Den Moment der Ruhe nutzte Anne, um uns ihr Geschenk für unser Neugeborenes zu überreichen. Mit leuchtenden Augen zauberte sie ein kleines Paket aus ihrer Tasche. Während mein Freund das Geschenk behutsam öffnete, berichtete sie in den schillerndsten Farben vom Einkaufserlebnis: Während ihrer gestrigen Laufrunde hatte sie diesen wunderbaren Laden passiert, und da war es ihr ins Auge gefallen, dieses herrliche Ding. Sie hatte einfach nicht daran vorbei gekonnt und war später extra noch einmal zurückgegangen, um es zu kaufen.
Gespannt zog mein Partner die letzte Lage Seidenpapier herunter und hielt eine Wanduhr in Form einer Katze in den Händen. Das feuerwehrrote Ding tickte laut und eine kleine Plastikmaus, die an einem Pendel hing, schwang dazu im Takt. Irritiert blickten wir in das begeistert nickende Gesicht von Anne. Ich war fassungslos. Was sollte das? Sie schenkte einem Neugeborenen ernsthaft einen Riesenwecker? Das war in etwa so sinnvoll, als würde man einem Hund ein eigenes Telefon kaufen. Mein Freund sah mir mein Entsetzen an und wollte gerade zu einem beschwichtigenden “Das ist später bestimmt ganz schön..." ausholen, als ich ihm zuvorkam. Vielleicht waren es meine Hormone, so kurz nach der Entbindung, vielleicht war es aber auch meine pure Ungläubigkeit angesichts dieser schaurigen Überraschung, so dass es aus mir heraus platzte: “Und diese Uhr, hast du gedacht, ist ein schönes Geschenk für ein Neugeborenes?!” Annes Mundwinkel zuckten.
Mit Verweis auf das Ruhebedürfnis von Mutter und Kind, läutete mein Partner schließlich das Ende ihres Besuchs ein. Die Neffen winkten noch einmal ins Schlafzimmer und der Spuk war vorbei. Puuh. So schnell brauchten wir keine weiteren Gäste. Ich wollte mich nun weiter über unser Baby freuen und endlich ganz in Ruhe meinen leckeren Kuchen essen. Aber nicht genug der fragwürdigen Bescherung, hatten sich in der Zwischenzeit meine hochgewachsenen Neffen still und leise über den Pflaumenstreusel hergemacht. Ein paar Krümel hier und da noch auf dem Tisch... Oh, welch liebreizender Wochenbettbesuch!
Zur Geburt unseres zweiten Kindes hielten wir es natürlich ganz anders in der ersten Zeit: Besuche gab es quasi keine.
Und wenn ihr demnächst zu einem Wochenbettbesuch gehen solltet und das Verlangen verspürt etwas zu schenken, dann fragt doch am besten vorher, womit man der Familie eine Freude bereiten kann, oder macht es wie die Maus in “Die Schildkröte hat Geburtstag” und nehmt einen kleinen Perspektivwechsel vor.
Und vor allem: Bringt Kuchen mit!
Schöne Ideen und Anregungen für Geschenke zur Geburt findet ihr bei uns im Magazin. Viel Freude dabei!
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