Gartenfreude für drinnen und draußen
Spielplatzvergnügen
Die Jagd aufs eigene Kind und der Kampf um die Schaukel
Es ist Frühling und die Spielplatzsaison offiziell wiedereröffnet. Gut, für manch hartgesottene Familie ist das ganze Jahr über Spielplatzsaison, aber für alle anderen startet sie eben genau jetzt! Juhu, möchten wir rufen?!
Für mich sind Spielplätze Fluch und Segen zugleich. Welches dieser beiden großen Wörter meinen Nachmittag prägt, ist, neben der Stimmung meines Kindes, immer auch von diversen äußeren Umständen abhängig. Wenn ich Glück habe, kann ich, während mein kleiner Sohn sich am Klettergerüst verausgabt und wie aufgezogen seine Runden über den Platz dreht, am Rand sitzen und mich unbeantworteten WhatsApp-Nachrichten oder der Einkaufsliste widmen. Dann ist der Spielplatz mein Freund. Wenn es schlecht läuft, und das tut es manchmal schneller, als ich die Sitzbank erreichen kann, dann komme ich auf dem Spielplatz körperlich an meine Grenzen: Mein Sohn hat frühzeitig begonnen zu laufen und wenn ich sage laufen, dann meine ich auch laufen und nicht gehen. Er sprintete quasi von Tag eins an durchs Leben und wir Eltern hinter ihm her.
Wie im Zeitraffer
Mit ihm auf dem Spielplatz verhält es sich, wie in einem dieser lustig geschnittenen Reels, in denen Leute im Zeitraffer Erlebnisse teilen. An sehr energiegeladen Tagen scheint sich mein Kind regelrecht über den Spielplatz zu beamen. Ein Wimpernschlag und er ist auf dem Kletterbalken, noch ein Wimpernschlag und er ist im Spielhaus, ein weiterer Wimpernschlag und er ist weg, weg???! Wie durch Zauberhand! Und kurze Zeit später kann man mich dabei beobachten, wie ich nervös und eiligen Schrittes durch den Sand stiefele, auf der leicht panischen Suche nach einem kleinen blondgelockten Wesen. Und da sitzt es dann in einer verwinkelten Ecke und bohrt seine Finger gedankenverloren in den klammen Sand.
Meinen Nachmittag aber ebenfalls im Buddelkasten zu verbringen und mich wie ein Schatten an die schnellen Fersen meines Kindes zu heften, ist keine wirklich verlockende Aussicht. Recht frühzeitig habe ich versucht, mich aus dem Spiel im Sandkasten rauszuziehen. Ich wollte gar nicht erst, dass meine Kinder mich stets zum Tunnelgraben und Stöckersammeln brauchen. Das Ganze war weniger eine Erziehungsmaßnahme zum selbständigen Spielen, sondern vielmehr die mangelnde Lust, mit im Sand zu hocken und so zu tun, als ließe ich mir gerade den achten Sandkuchen, wahlweise auch mit “eingebackenem” Haar von fremden Personen, schmecken. Versteht mich bitte nicht falsch, ich verbringe gern Zeit mit meinen Kindern, lese gern Bücher mit ihnen oder baue Eisenbahnstrecken, aber im Sandkasten hört's bei mir eben auf.
Menschliches Auffangnetz
Wenn ich also nicht gerade damit beschäftigt bin, mein Kind, das gefühlt mit dem Tempo eines Sprinters über den Platz jagt, einzufangen, wartet eine andere reizende Übung auf mich: das menschliche Auffangnetz. Mein Mann und ich hielten es immer mit dem Motto, dass die Kinder nur so hoch klettern dürfen, wie es ihnen selbstständig möglich ist und wir keinerlei Hilfestellung geben. Diese Rechnung hatten wir jedoch ohne unseren jüngsten Sohn gemacht, der nicht nur zu Fuß, sondern auch kletternd überaus behände unterwegs ist. Und so stehe ich also angespannt und mit vorsichtshalber ausgestreckten Armen neben dem Klettergerüst, während mein Kind meint, die meterhohe Rutschröhre von außen erklimmen zu müssen (Intervention ausgeschlossen). Fragt gar nicht erst, wie oft ich mich selbst auf einem Klettergerüst wiederfinde - Nervenkitzel pur!
An guten Tagen steht mein Sohn weniger unter Strom und spielt auch mal vertieft, ohne spektakuläre Klettermanöver, und ich kann besten Gewissens etwas ausspannen. Dann kann unser beider Ruhe kaum etwas aus dem Gleichgewicht bringen, kaum etwas… Außer ein Kind mit Lolli im Mund gesellt sich dazu. Denn der augenblicklich aufziehende Zuckerneid ruft bei meinem Kind größte Not hervor, die in unfassbar schlechter Laune gipfelt. Spannende Spielzeuge anderer Kinder können ähnlich nervenaufreibende Emotionen auslösen. Ebenso ungemütlich kann es auch schon mal werden, wenn sich die Füllung der Snackbox dem Ende zuneigt. Oft hat mein Sohn auch konkrete Wünsche, zu welchem Spielplatz es gehen soll, nicht selten kutschiere ich ihn versehentlich auf den falschen! Wie konnte ich ...
Exklusive Schaukeln
Aber mein ganz persönliches Highlight ist das Schaukeln! In der Theorie beschließt das Kind zu schaukeln, ein Elternteil rafft sich auf, und es wird geschaukelt. In der Großstadt-Praxis ist der Weg bis zum Schaukeln aber deutlich länger und hindernisreich. Aus einem mir unerfindlichen Grund sind Schaukeln auf Spielplätzen nämlich so streng limitiert wie die Designer*innen-Kollaboration bei H&M. Drum muss sich zuerst einmal in eine Warteschlange eingereiht werden. Dies ist die wohl undankbarste Warteschlange aller Zeiten, denn nach Sand, der einem um die Ohren und in die Augen fegt, vor Ungeduld quengelnden Kindern und absurden Diskussionen mit anderen Eltern, wer denn nun als nächstes an der Reihe ist, gibt es nicht etwa einen dampfenden Kaffee oder einen üppigen Eisbecher als Belohnung, sondern eben eine kurze Schaukeleinheit fürs Kind. Und so steht man also in der Schlange zwischen anderen Wartenden und starrt gemeinsam auf die besetzte Schaukel, in der gerade ein Baby sitzt, mit leerem Blick, offenbar noch nicht im Stande zu begreifen, was da gerade mit ihm passiert, während es von seiner Oma freudig und völlig unbeirrt angefeuert wird. Währenddessen wird die Schlange immer länger und das eigene Kind immer nervöser.
Ist man dann nach einer gefühlt halben Ewigkeit Schlangestehen und dem eigenen Kind Geduld zusprechen, endlich am Zug, wird ein Rollenwechsel vollzogen und man selbst findet sich in der Position an der Schaukel wieder: die scharfen Blicke der anderen Wartenden im Rücken und man kann förmlich hören, wie sie leise einen Countdown runterzählen, der das eigene Schaukel-Ende markiert.
In diesen Momenten wünsche ich mir etwas mehr von der großmütterlichen Gelassenheit und ich ertappe mich dabei, wie ich, die das Leben in der Großstadt eigentlich so sehr schätzt, vom Leben auf dem Land und einem Garten mit eigener Schaukel träume.
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