Mobbing in der Schule?
Wie Eltern & Kinder damit umgehen
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Die Einschulung des Kindes ist ein großer und wichtiger Tag für Eltern und Kind. Die gesamte Schulzeit ist vor allem für die Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung. Leider kommt es in dieser Zeit oftmals zu negativen Erfahrungen, z.B. Mobbing.
Wie Eltern sich in solchen Situation verhalten können und was genau der Begriff Mobbing bedeutet, erklärt uns die Psychologin Christine Harzheim im Interview.
1. Frau Harzheim, stellen Sie sich doch gerne einmal in ein paar Sätzen vor.
Ich bin Psychologin und Familientherapeutin und lebe und arbeite seit 30 Jahren in der Schweiz. Mobbing unter Kindern ist ein Thema, welches mir bei meiner Arbeit immer mal wieder begegnet. Meistens melden sich besorgte Eltern…
2. Das Thema Mobbing kann alle Altersstufen betreffen. Wie stark spielt die Grundschule bei der Entwicklung der Kindes zu einem sozialisierten Erwachsenen eine Rolle?
(Grund-)Schule IST ein großes Thema. Für viele Jahre ist man hier viele Stunden am Tag in eine Gemeinschaft eingebunden. Man muss zur Schule, muss Leistung erbringen und in der Gruppe funktionieren.
Es macht unbedingt Sinn, die Befindlichkeit der Kinder entspannt und achtsam im Auge zu behalten und wenn eine echte Schieflage entsteht (grosses Leid, Widerstand, ...) offen den Kontakt zur Schule zu suchen. Nicht um Vorwürfe zu machen, sondern um Unterstützung zu bitten und als zuständige Erwachsene gemeinsam die Verantwortung zu übernehmen.
3. Was genau ist Mobbing?
Mobbing ist ein soziales Phänomen, welches in sämtlichen Gruppen auftreten kann. Ein schwächeres Mitglied der Gemeinschaft wird systematisch durch mehrere andere schlecht behandelt und ausgegrenzt. Dauert es lange an, hat das für alle Beteiligten schwerwiegende Folgen.
4. Warum sind Kinder und Jugendliche besonders gefährdet, sowohl Opfer als auch Täter zu werden?
Kinder sehnen sich nach Zugehörigkeit und Anerkennung. Gleichzeitig handeln sie noch nicht so bewusst und können sich noch nicht so sicher in andere einfühlen. Das macht sie anfälliger für Gruppendruck. Um zum Beispiel in einer Schulklasse gut miteinander umgehen zu lernen brauchen sie unbedingt die Unterstützung von Erwachsenen.

5. Nicht alle „Streitereien“ zwischen Kindern sind Mobbing. Wie können Eltern unterscheiden, wann es sich um einen Konflikt und wann es sich um Mobbing handelt?
Als Konflikt sehe ich eher eine Auseinandersetzung rund um eine konkrete Sache, bei der beide Parteien aktiv und in etwa gleich stark sind. Ziel ist hier die Klärung dieser Sache und nicht die Verletzung einer Person.
Mobbing ist wenn eine zerstörerische Gruppendynamik vorliegt, die meisten einer Klasse sind dann beteiligt und Ziel ist die Verletzung und Ausgrenzung eines oder mehrer Kinder.
Aber: Ungelöste Konflikte können Mobbing verursachen! Darum ist es wichtig, Kinder bei der Lösung ihrer Konflikte wo nötig zu begleiten. So lernen sie, so miteinander umzugehen, dass niemand Schaden nimmt.
6. Wie kann man Mobbing auflösen?
Um Mobbing zu bearbeiten hat sich der von Eltern und Lehrern verwendete «No Blame Approach» («keine Schuldzuweisung») bewährt. Das Opfer wird geschützt, auf Strafen und Schuldzuweisungen wird verzichtet. Die ganze Gruppe wird einbezogen. Konsequent, lösungsorientiert wird Empathie, also die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen, aufgebaut.
Es werden vor allem die passiven Mitläufer aktiviert. Es geht nicht darum, wer was falsch gemacht hat, sondern darum, wer etwas dazu beitragen kann, dass sich das betroffene Kind besser fühlt und sich die Klassenatmosphäre entspannt.
Begleitet von den Erwachsenen lernen die Kinder gemeinsam Verantwortung für einen fairen Umgang zu übernehmen.
Mobbing betrifft immer die ganze Gruppe. Nicht nur die Täter und die Opfer. Ohne die Akzeptanz der schweigenden Mehrheit gäbe es kein Mobbing. Das heisst, dass die Auflösung auch die gesamte Gruppe betrifft. Gelingt dies, können die Kinder sehr viel lernen. Über Gemeinschaft, Fairness und darüber, wie wir miteinander umgehen.
(Täter und Opfer leiden oft unter dem gleichen: beide haben ein labiles Selbstwertgefühl, Angst nicht dazu zu gehören. Ein glückliches, souveränes Kind hat kein Bedürfnis zu mobben. Ein Täterkind handelt also aus einer inneren Anspannung, einem schlechten Selbstwertgefühl heraus. Wenn man es nun schimpft und entwertet, steigt die Anspannung und die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder mobbt, wächst. )
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7. Wie können Eltern unterstützen?
Der erste Impuls der Eltern ist meist Empörung und Wut auf die ‘bösen’ Täterkinder. Wir möchten eingreifen und aufräumen. Eltern spüren hier oft ein Rachebedürfnis. Geben sie diesem aber nach, handeln sie genauso einseitig und zerstörerisch, was niemandem wirklich hilft. Eltern sollten die Lehrperson ansprechen, ihren Eindruck schildern und um Unterstützung bei der Klärung bitten. Nur mit der Verantwortung bei den Erwachsenen lässt sich Mobbing auflösen. Sowohl Opfer als auch Täter (und die Mitläufer) brauchen Zuwendung und Unterstützung.
Wenn es sich um Konflikte (s.o.) handelt, würde ich den Kindern sagen: Ich sehe, dass Ihr hier etwas klären müsst... Kommt Ihr klar? Braucht Ihr Unterstützung? Geht es allen gut?
8. Eine Frage, die sich bestimmt niemand gerne stellt ist, was tun, wenn das eigene Kind mobbt?
Das Gleiche, wie wenn das eigene Kind gemobbt wird. Verantwortung als Erwachsene übernehmen. Eine Einteilung in gute und böse Kinder greift zu kurz. Alle, auch das ‘Täterkind’, brauchen Hilfe.
Vielen Dank an Christine Harzheim für dieses hilfreiche und aufschlussreiche Gespräch. Wir hoffen, dieses Interview konnte helfen ein besseres Verständnis für das Thema Mobbing zu erlangen und Hilfestellungen geben.
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