Wiedereinstieg in den Beruf - Herausforderungen und Chancen
Anita Neumann hat 13 Jahre Berufserfahrung im Personalwesen. In dieser Zeit hat sie auch ihre beiden Kinder bekommen, sie hat also wortwörtlich am eigenen Leib erfahren, welche Herausforderungen der Wiedereinstieg in den Beruf mit sich bringt. Jetzt startet sie als Coach für Eltern ihr eigenes Business - Kindaling hat ihr die wichtigsten Fragen zum Thema Wiedereinstieg in den Beruf gestellt!
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Hallo, liebe Anita! Schön, dass du dir die Zeit nimmst, um uns ein paar Fragen zum Thema Wiedereinstieg in den Beruf zu beantworten. Kannst du uns vielleicht kurz von deinem (beruflichen) Werdegang und eigenen Wiedereinstieg erzählen?
Ja klar, sehr gerne. Ich danke euch für die Einladung. Ich bin Mama von zwei Jungs, gelernte Diplompädagogin und zertifizierter Businesscoach.
Seit November 2018 bin ich selbstständig und mein Unternehmen „Elternbusiness“ richtet sich an berufstätige Eltern mit dem Motto: Vereinbarkeit natürlich leben. Dort biete ich Coaching, Training und Mentoring an, rund um das Thema Wiedereinstieg nach der Elternzeit, berufliche Neuorientierung, Leadership und Karriere mit Kind, Achtsamkeit und Resiliance in der Doppelbelastung.
Ich bin mit beiden Kindern nach 12 Monaten wieder eingestiegen. Wobei nein, bei meinem ersten Sohn (Mika) war ich sogar nur 10 Monate in Elternzeit. Ich hab zum Zeitpunkt der ersten Schwangerschaft schon in Führungsposition gearbeitet und als mein Chef gehört hat, dass ich auf jeden Fall zurückkommen und auch meine alte Position behalten möchte, haben wir für die Zeit meiner Abwesenheit eine Interimslösung für das Team gefunden und eine Person als Elternzeitvertretung eingesetzt. Als ich wieder zurückkam, ist sie wieder raus gegangen und ich konnte problemlos in meine alte Rolle einsteigen. Das war ideal.
Als ich das zweite Mal schwanger wurde, war mir klar, dass ich nicht in Vollzeit wiederkommen will, und zu diesem Zeitpunkt gab es im Unternehmen auch noch keine Führungskraft in Teilzeit. Das sollte auch so bleiben. Ich wusste das vorher, hab es nicht hinterfragt und mich dann entschieden aus der Führungsrolle zurück in das Team zu gehen. Am Anfang war es ein komisches Gefühl, aber weil ich mit den Jungs gut ausgelastet war, war ich froh die disziplinarische Verantwortung für das Team abzugeben. Rückblickend kann ich sagen, dass ich gerne mutiger gewesen wäre. Ich hätte den Status Quo zum Thema „Flexible Arbeitszeitmodelle für Führungskräfte“ in Frage stellen sollen.
Das ist ein Learning, das ich heute allen Frauen mitgebe. Nehmt nicht einfach hin, was man euch sagt, sondern macht euch einen eigenen Plan und kämpft darum, ihn umzusetzen. Notfalls auch mit juristischen Mitteln.
Woher weiß man, wann der richtige Zeitpunkt ist, wieder berufstätig zu werden? Gibt es überhaupt den richtigen Zeitpunkt?
Oh nein, ich glaube es gibt nicht so was wie den richtigen Zeitpunkt, denn jede Mutter und jedes Kind ist anders. Wann eine Mama wieder bereit ist zu arbeiten kann und soll nur sie alleine entscheiden. Es gibt aber auf jeden Fall einen entscheidenden organisatorischen Faktor und das ist der Kitaplatz, um den man sich (zumindest in Berlin) frühzeitig kümmern muss, wenn man wieder einsteigen will.
In Berlin ist das Vergabesystem der Kitaplätze ein Desaster, für Eltern völlig intransparent und schwierig. Deshalb muss man sich frühzeitig darum kümmern, wenn man weiß, dass man nach einem Jahr wieder einsteigen möchte.
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Wie bereitet man sich am besten auf den Wiedereinstieg vor? Welche Dinge muss man beachten, wenn man wieder in den Beruf einsteigen möchte?
Wenn es von Anfang an klar, dass die Frau wieder zurück in den Beruf möchte, kann ich nur empfehlen den Kontakt zum Arbeitgeber zu halten und immer wieder mal während der Elternzeit vorzuschauen und „Hallo“ zu sagen. So haltet ihr euch auf dem Laufenden und bekommt mit, wenn sich was in eurer Abteilung verändert. Umgekehrt signalisiert ihr so dem Abreitgeber, „Hallo, ich bin auch noch da“!
Als Eltern solltet ihr euch dann auch gemeinsam die Frage stellen, wie die Aufteilung der Betreuung in eurer Familie aussehen soll. Ich erlebe es noch zu oft, dass die Väter einfach davon ausgehen, dass die Mutter in Teilzeit 20h / 30h wieder einsteigt und für sie alles so bleibt wie es ist. Und manchmal ist das auch für die Mütter so normal, dass sie sich gar kein anderes Modell vorstellen können und dann einfach auch nicht danach fragen. Aber das muss nicht so sein.
Bitte erlaubt es euch hier mal ganz neue verrückte Modelle zu durchdenken und mutig zu sein. Stellt euch doch mal die Frage, wer Lust auf welche Themen hat und ob nur die Frau Teilzeit arbeiten sollte, oder ob nicht vielleicht beide Eltern weniger arbeiten und sie sich so die Betreuung aufteilt.
Ich kann da nur alle Eltern ermutigen ihren Bedürfnissen zu folgen, auch Neues auszuprobieren und nicht zu schauen was im Umfeld so üblich ist. Ich weiß, dass sich das so leicht anhört, ist es aber nicht. Bitte sprecht darüber. Die Rollen verändern sich gerade so stark und das ist auch gut so. Wenn der Mann lieber derjenige ist, der zu Hause kocht und den Haushalt macht, dann ist es vielleicht auch für alle besser, wenn er das einfach macht.
Und noch ein praktisches Thema: wenn der Kitaplatz klar ist, solltest du dir auf jeden Fall auch genügend Zeit für die Eingewöhnung einplanen. Bei meinem ersten Sohn hat es 4 Wochen gedauert und damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet und die Zeit auch nicht eingeplant. Und überlegt vorab, wer die Eingewöhnung übernimmt.
Gibt es arbeitsrechtliche Aspekte, die man beachten muss/sollte?
Oh ja da gibt es ein paar Themen. Wichtig sind die Fristen (§ 16, BEEG), denn bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes gilt eine Anmeldefrist von 7 Wochen vor Beginn der Elternzeit. Dies muss schriftlich (handschriftlich mit Unterschrift) beim Arbeitgeber gemacht werden. Während der Elternzeit und ab dem Tag der Meldung besteht für den Arbeitgeber ein Kündigungsverbot.
Grundsätzlich gilt: Das Arbeitsverhältnis bleibt während der Elternzeit bestehen, es ruhen nur die Hauptleistungen (Anspruch auf Arbeitsleistung und Vergütungsanspruch). Auch der Urlaubsanspruch bleibt bestehen, er kann allerdings vom Arbeitgeber pro Monat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt werden.
Nach der Elternzeit besteht kein Anspruch auf exakt den gleichen Arbeitsplatz. Aber die Tätigkeit muss den Vereinbarungen des Arbeitsvertrages entsprechen. Du kannst auch während der Elternzeit bis zu 30h in der Woche in Teilzeit arbeiten (mit Zustimmung des Arbeitgebers auch bei einem anderen Arbeitgeber).
Muss man dort weiter machen, wo man vor der Geburt des Kindes aufgehört hat oder gibt es Alternativen?
Es gibt doch immer Alternativen, oder?! Aus juristischer Sicht, lebt der Arbeitsvertrag wieder auf, den du vor deiner Schwangerschaft hattest, mit der Einschränkung, dass es nicht exakt der gleiche Arbeitsplatz sein muss. In der Regel finden dazu dann sowieso Gespräche statt, über Art und Umfang des Wiedereinstiegs und der Aufgaben. Wenn das nicht passiert und der Arbeitgeber das nicht anbietet, dann fordert das bitte ein. Es ist immer auch die Chance für dich, einen neuen Bereich auszuprobieren, wenn du das möchtest.
Denn für viele Mütter, ist die Elternzeit auch eine Zeit in der sie sich fragen, was sie eigentlich machen wollen. Manchmal stellen sie dann fest, dass der aktuelle Job schwer mit dem neuen Familienleben vereinbar ist, zum Beispiel, wenn es viel Reisetätigkeit gibt. Mit der Mutterrolle verschieben sich oft Prioritäten und die eigenen Werte.
Dabei will ich ganz klar sagen, nichts ist unmöglich, wenn man etwas wirklich will, kann man (fast) alles machen will. Aber man muss wissen welchen Preis man bereit ist zu zahlen und wo die eigenen Prioritäten liegen.
Was, wenn man nicht wieder einsteigen möchte?
Dann wäre es gut sich einen Plan zu machen, was man stattdessen machen will.
Wenn du dich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindest, nach der Elternzeit aber nicht wieder einsteigen willst, dann musst du ganz normal nach Ablauf der Elternzeit kündigen. Denn während der Elternzeit und dem Mutterschutz ruht dein Arbeitsverhältnis, es lebt aber wieder auf, mit dem Ablauf deiner Elternzeit und damit auch all deine Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer.
Beim Thema berufliche Neuorientierung können interessierte Berliner auch gern bei mir vorbei kommen. Für alle, die nicht aus Berlin kommen, biete ich gerne Coachings per Telefon an!
Auf welche Herausforderungen beim Wiedereinstieg in den Berufsalltag sollte man sich einstellen? Wie kann man dafür sorgen, dass man sich nicht überfordert?
Da gibt es viele Themen. Bei mir waren es zu Beginn, die emotionale Trennung vom Kind, die mir mehr zu schaffen gemacht hat, also ich dachte. Dann der Klassiker: das schlechtes Gewissen. Man fühlt sich den Kollegen gegenüber schlecht, weil man immer die Erste ist, die geht und in der Kita fühlt man sich schlecht, weil man die Letzte ist, die sein Kind abholt. Da kann ich nur sagen: macht euch so schnell wie möglich frei davon. Nur weil du Teilzeit arbeitest, ist deine Arbeit nicht schlechter und nur weil du arbeitest, bist du keine schlechte Mutter.
Ein anderes Thema ist die Krankheit des Kindes und damit verbunden der häufige Ausfall durch die Betreuung. Dazu gibt es leider oft auch blöde Sprüche von den Kollegen. Auch da kann ich nur raten, macht euch frei von allen Bewertungen von außen. Und hole dir notfalls Unterstützung, wenn du selbst an deine Grenzen kommst.
Das häufigste Thema in meinen Coachings ist die Doppelbelastung an sich. Als berufstätige Eltern hast du so gut wie nie Pause. Und das über einen sehr sehr langen Zweitraum. Deshalb steht für mich das Thema „Selbstfürsorge“ für Eltern an erster Stelle. Dabei geht es nicht um Optimierung im Alltag, sondern darum, dass du dir als Mama und Papa erlaubst Pause zu machen, Ruhephasen einzuplanen und einzufordern und das zu tun was dir gut tut und dich auflädt. Denn nur wenn es den Eltern gut geht, können sie auch gut für die Kids sorgen. Oft ist das ein langer Prozess, den ich auch gerne begleite.
Wo und wie kann man sich am besten Unterstützung beim Wiedereinstieg suchen?
Wenn es um juristische Fragen geht, unbedingt einen Anwalt für Arbeitsrecht aufsuchen. Zur Info vorab, kann ich das Buch von Sandra Ruge sehr empfehlen (Don´t worry, be Mami). Da gibt es juristisches Know How rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternsein.
Ein anderes Buch, das ich gerne empfehlen möchte ist, „Working Mom“ von Katrin Bringmann. Sie zeigt euch da 20 praktische Tools, die euch auf den Wiedereinstieg vorbereiten.
Und bei allen anderen Fragen könnt ihr natürlich gerne zu mir oder meinem Netzwerkabend (Back to Business- für Eltern in Elternzeit) kommen. Der findet ab Februar alle 6 Wochen statt und beschäftig sich mit allen unterschiedlichen Themen zum Thema Wiedereinstieg. Vor allem soll er auch die Möglichkeit sein, sich zu vernetzten, auszutauschen und mal zu hören wie andere das so machen oder was andere Unternehmen anbieten. Da gibt es schon große Unterschiede und dieses Wissen, kann bei Verhandlungen sehr hilfreich sein.
Hast du noch weitere Tipps für Mütter und Väter, die sich aktuell mit der Frage zum Wiedereinstieg in den Beruf auseinander setzen?
Ich höre leider immer wieder, dass Arbeitgeber die Elternzeit auch nutzen um Stellen einzusparen und dann den Mütter erzählen, dass es ihre Position im Unternehmen so nicht mehr gibt oder sie in Teilzeit nicht auszufüllen ist. Hier rate ich allen Mamas, lasst euch damit nicht abspeisen oder euch in eine Rolle drängen, auf die ihr keine Lust habt.
Holt euch, wenn nötig, Hilfe von einem Anwalt und kämpft um eure Rechte. Eine Rechtsschutzversicherung kann ich an dieser Stelle sehr empfehlen, wenn die nicht schon vorhanden ist. Und beantragt ein Zwischenzeugnis, bevor in den Mutterschutz geht. Damit kann man sich auch gut während der Elternzeit bewerben, wenn man entschieden hat, dass man nicht mehr zum alten Arbeitgeber zurückkehren möchte.
Vielleicht zum Schluss noch eine Sache, die mir sehr wichtig ist: Seit achtsam, nachsichtig und liebevoll mit euch. Denn Druck und Vorwürfe helfen nicht weiter, im Gegenteil. Job und Kinder dauerhaft gut unter einen Hut zu bringen ist ein Aufgabe, die euch jetzt noch sehr lange belgeiten wird. Deshalb ist Geduld und Ausdauer und Selbstfürsorge gefragt.
Wie können Eltern dich erreichen oder sich mit dir vernetzen?
Ich bin mit meinem Elternbusiness natürlich auf Facebook und Instagram vertreten, wo ihr euch gern mit mir connecten könnt. Außerdem findet ihr meine aktuellen Workshops immer auf Kindaling!
Du möchtest nach der Elternzeit wieder beruflich voll durchstarten, weißt aber nicht, wo du anfangen sollst? Oder hast du andere Sorgen und Ängste rund ums Thema Elternsein? Bestimmt findest du ein passendes Angebot für dich in unserer Kategorie Beratung für Schwangere und Eltern. Oder tausch dich mit anderen Eltern bei einem Eltern-Treff aus!